„Wir haben fünf Anmeldungen für später!“, verkündete Alex triumphierend. „Total kurzfristig! Cool, dass die Ankündigung auf unserer Homepage erfolgreich war. Der heutige Schattenraum ist gesichert!“

„Ankündigung?“, wiederholte Victor verständnislos.

„Sonderaktion: Übernachtung zum halben Preis“, erklärte Alex. „Damit trotz Stadtfest etwas los ist.“

Victor unterdrückte ein Seufzen. Insgeheim hatte er gehofft, einige unbeschwerte Stunden auf dem Fest verbringen zu können. Die Arbeit im Schattenraum machte zwar Spaß, aber auf Dauer war es anstrengend, jeden Freitag diverse Gruselfans zu erschrecken, die in der Hütte ihren Mut beweisen wollten. Ganz abgesehen davon, dass er den Rest des Wochenendes von der schlaflosen Nacht so müde war, dass auch Unternehmungen am Samstagabend meistens flachfielen oder zumindest ein frühes Ende fanden.

„Wäre schrecklich gewesen, wenn wir mal frei gehabt hätten“, bemerkte er ironisch.

„Stell dich nicht an, du Memme“, schnaubte Alex. „Immerhin verdienen wir nicht schlecht mit dem Schattenraum.“

Victor seufzte. „Zumindest, wenn du nicht beschließt, mit dem Preis runterzugehen. Das lohnt sich kaum.“

„Besser als nichts!“, verteidigte sich Alex. „Was wäre die Alternative?“

„Ein lustiger Abend auf dem Stadtfest ohne Insekten, Knochenstücke und Dornenranken“, murmelte Victor und verabschiedete sich bedauernd von dem Gedanken an Bier, Musik und Partystimmung.

„Warte erst mal ab, welche Gruppe wir heute schocken dürfen.“ Alex‘ Augen funkelten verschmitzt.

„Wer hat sich angemeldet?“, erkundigte sich Victor gleichgültig. „Spuck’s schon aus.“

„Irgendwelche Zehntklässler von unserer Schule“, antwortete Alex absichtlich vage.

„Aus der Zehnten?“ Mit plötzlichem Interesse hob Victor den Kopf. „Wer genau?“

„Die Anmeldung läuft über einen Timo“, erwiderte Alex unschuldig. „Ich glaube, das ist dieser große, blonde Typ, der mich in der Pause mit unnötigen Fragen genervt hat.“

Victor lehnte sich ein Stück vor. „Wer noch?“

„Joshua, David, Julia“, zählte Alex nach einem Blick in seine E-Mails auf, „und Gwendolin.“

Bei Erwähnung des letzten Namens richtete sich Victor unvermittelt auf. „Gwendolin Merz?“, vergewisserte er sich.

„Dieser Name steht zumindest hier in der Anmeldung“, bestätigte Alex mit einem Grinsen.

Victor atmete hörbar aus. „Wir sollten das Petroleum in den Lampen auffüllen.“

„Ach? Auf einmal doch Lust auf eine Nacht in der Hütte?“, stichelte Alex. „Woran das wohl liegt?“

Victor ließ die Provokation an sich abprallen. „Das ist die Chance, sie endlich kennenzulernen“, überlegte er. „Aber ausgerechnet im Schattenraum? Ein Treffen auf dem Stadtfest wäre besser gewesen. Sie wird mich hassen, noch bevor die Nacht vergangen ist.“

Alex lachte hämisch. „Kann sein.“

Spontan zog Victor in Erwägung, den Ablauf für diese spezielle Gruppe ein wenig zu verändern. Statt des üblichen Horrorprogramms könnten sie eine harmlose Kombination aus Lichtsignalen und Geräuschen zusammenstellen.

„Sieh’s mal so“, riss ihn Alex aus seinen Grübeleien. „Morgen früh habt ihr garantiert genug Gesprächsstoff. Dass sie hier mitmacht, zeigt doch, dass sie auf das Gruselzeug steht. Hoffe ich zumindest für dich. Wir haben selten Mädchen dabei.“

„Du hast recht“, stimmte Victor zu. „Meistens sind es irgendwelche Typen, die angeben wollen. Weil ja eine gute Wertung auf unserer Seite dermaßen cool ist“, fügte er sarkastisch hinzu. „Ich frage mich, was die an dieser blöden Liste finden.“

„Hey“, protestierte Alex. „Unsere Homepage ist cool! Mittlerweile kennt sie die ganze Schule. Außerdem würde sich keiner auf den Mist einlassen, den wir verlangen, wenn es die Punktetabelle nicht gäbe. Einige Aufgaben sind echt widerlich. Ich denke nicht, dass diese jemand ohne Anreiz erledigen würde.“

„Nur zur Info“, sagte Victor düster. „Wenn es aussieht, als fände sie es blöd, tue ich so, als hätte ich mit der ganzen Sache nichts zu tun.“

Alex grinste. „Vielversprechender Plan. Schade, dass dein Name im Impressum der Homepage auftaucht. Immerhin hast du durch die Anmeldung ihre Handynummer. Vielleicht kannst du sie in zwei Jahren mal anrufen, wenn sie dir die Schattenraum-Schocker verziehen hat.“

Ohne auf Victors Entgegnung zu warten, erhob er sich. „Lass uns mit den Vorbereitungen anfangen, um deiner Flamme eine unvergessliche Nacht zu bereiten.“